Wolfgang Jantzen ist gestorben

Wolfgang hat uns -Petra, Tanja, Jan und mich- sicher grundlegend in unserer Haltung geprägt. Er hat uns gefordert, er war ein streibarer, solidarischer, politischer, geschichtsbewusster, herzlicher, bewegter, zarter manchmal auch verzweifelter Denker und Akteur der materialistischen Behindertenpädagogik ! 
Ohne ihn hätte ich so wunderbare Ansätze wie die von Basaglia, der kulturhistorischen Schule und den romantischen Wissenschaften vermutlich nicht gekannt. Wolfgang war einer der wesentlichen Wegbereiter der integrativen Schulen, der rehistorisierenden Diagnostik (die das „Gewordensein“ eines Menschen -auch durch isolierende Bedingungen-in den Mittelpunkt stellt) und hat mit der solidarischen psychosozialen Hilfe die Schließung geschlossener psychiatrischer  Einrichtungen (Blankenburg) in Bremen und geschlossener Großeinrichtungen für behinderte Menschen in Lilienthal und Cluvenhagen erwirkt. Wolfgang war ein Unterstützer der Gründungsinitiative Jugendschule.

Wir sind traurig!

Die Freiheit ist eine Tat“, ist der Titel seiner biografischen Reflexion und sie endet mit folgendem Abschnitt

»Nur mit brennender Geduld werden wir die strahlende Stadt erobern, die uns allen Licht, Gerechtigkeit und Würde gibt.« (Neruda 1975, 203)
Beziehen wir jene brennende Geduld mit Walter Benjamin auf die »Jetztzeit« und nicht auf eine ferne Zukunft, und wissen wir, dass es dabei eine Verbindung von Unbekannt zu Unbekannt gibt, die weltweit ist, und dass die Anerkennung der Ausgegrenzten und die geteilte
Narration mit ihnen in jedem Augenblick möglich ist, so wissen wir auch, dass die Pforten der strahlenden Stadt uns jeden Tag offen stehen. Jeder gelebte Augenblick, wird, so Benjamin, »zu einer citation à l’ordre du jour« – welcher Tag eben der jüngste ist« (a.a.O. These 3), zu einer
Vorladung zur Tagesordnung. »Achtsamkeit – so schrieb ich in einer Hommage für Walter Benjamin und Pablo Neruda vor einigen Jahren – würde für mich bedeuten, dieser Vorladung nachzukommen, wo sie auch ausgesprochen wird [… und] sie unter keinen Umständen zu
versäumen. Denn wer weiß, wann sie wieder und ob sie überhaupt wieder ausgesprochen wird.«

(Jantzen 2010)

Psychosozial-Verlag